• Europäische Aktien zählen zu den Standard Asset-Klassen in der industrialisierten Welt. Seit dem Aufkeimen der Staatsschuldenkrise wurde das Umfeld allerdings deutlich ruppiger. Vor allem im Vergleich zu den anderen entwickelten Märkten
  • Nach einer Analyse sehen die europäischen Märkte deutlich günstiger aus als vergleichbare Börsen. Allerdings war dieser Bewertungsabschlag in der Vergangenheit auch durchaus berechtigt
  • Die günstige Währungssituation, der gesunkene Ölpreis und die rekordtiefen Zinsen unterstützen die weitere Konjunkturentwicklung. Griechenland bleibt das große Fragezeichen
  • Europa scheint langsam wieder in die richtige Richtung zu steuern. Die Börsenampeln stehen seit Jahresbeginn jedenfalls deutlich auf Grün. Die Chancen auf eine Fortsetzung der Aufholbewegung gegenüber den anderen etablierten Aktienmärkten erscheinen günstig. Damit sollte sich auch die entstandene Bewertungslücke schließen
Schoellerbank Analysebrief Nr. 267 (PDF | 654 KB)
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Rückblick und aktuelle Situation

Europäische Aktien zählen zu den Standard Asset-Klassen in der industrialisierten Welt. Seit dem Aufkeimen der Staatsschuldenkrise wurde das Umfeld allerdings deutlich ruppiger. Vor allem im Vergleich zu den anderen entwickelten Märkten.

Quelle: Morningstar Direct

Quelle: Morningstar Direct

Der Blick in den Rückspiegel zeigt auf, wie deutlich die europäische Aktien in den letzten 10 Jahren im Vergleich zu anderen bedeutenden Börsen zurückgeblieben sind. In diesem Zeitraum fiel die Wertsteigerung im MSCI Emerging Markets Index mit rund 9,75% pro Jahr deutlich höher aus, als in Europa, wo annualisiert rund 6,50% verdient wurden. Auch die USA schnitten mit 9,25% p.a. (alle Erträge auf Euro-Basis) deutlich besser ab.

Bis Ende 2008 performten die drei Märkte einigermaßen im Einklang, wobei die Emerging Markets mit höheren Wertschwankungen zu kämpfen hatten und diese sich nach der Finanzkrise deutlich schneller erholen konnten als die entwickelten Finanzmärkte. Ab Mitte 2011 begannen die US-Börsen deutlich stärker anzuziehen. Dies ist vor allem dem raschen Agieren der US-Notenbank zuzuschreiben.

Aktuelle Bewertungssituation der Märkte

Ein kurzer Blick auf das geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) wichtiger Märkte zeigt den S&P 500 Index bei 17,5. Das geschätzte KGV des TOPIX liegt bei 16,7, jenes des EuroStoxx 50 bei 15,4 und des DAX bei 14,8 (Stand 11.03.2015). Nachfolgende Tabelle zeigt die Charakteristiken einiger ausgewählter europäischer Länder im Vergleich zu den USA in Bezug auf den Preis/Buchwert bzw. auf Preis/Cashflow Basis.

LandPreis/BuchwertPreis/Cashflow
Deutschland1,979,4
Großbritannien1,938,3
Frankreich1,649,9
USA2,8912,6

Demgemäß sehen die europäischen Märkte deutlich günstiger aus als vergleichbare Börsen, allerdings drückt die hohe Gewichtung des Finanzbereiches im Index ein wenig auf diese Kennzahl.

Europäische Unternehmen haben in zwei Feldern definitiv Aufholbedarf: Einerseits sind die Margen im Schnitt in den letzten 10 Jahren nicht angestiegen:

Quelle: Henderson Global Investors

Quelle: Henderson Global Investors

Andererseits lassen die durchschnittlichen Unternehmensgewinne seit 2011 bislang zu wünschen übrig. Diese dürften allerdings wieder ansteigen - dafür sprechen zahlreiche Faktoren: die gefallenen Rohstoffpreise, die günstige Wechselkursentwicklung und eine langsam einsetzende Konjunkturerholung. Im Vergleich zu den USA ist, auf Basis der durchschnittlichen Gewinne pro Aktie auf 12-Monats-Basis, jedenfalls noch Luft nach oben:

Quelle: Henderson Global Investors

Quelle: Henderson Global Investors

Seit dem Ausbruch der Staatschuldenkrise hat Europa mit einer Reihe von Belastungen und unangenehmen Überraschungen zu kämpfen. Die Länder waren zum Sparen gezwungen, in der Privatwirtschaft wurden Schulden abgebaut und das Bankensystem litt unter der Unterkapitalisierung.

Langsam dürfte sich die Lage verbessern. Die Staatsdefizite entwickeln sich im Großen und Ganzen in eine gute Richtung und einige kontinentaleuropäische Staaten senken die Steuern, darunter Dänemark, Schweiz, Norwegen, Frankreich, Finnland, Italien, Portugal und Spanien. Darüber hinaus lässt der Schuldenabbau der Unternehmen langsam nach.

Konjunkturstützen - die Währung, der gesunkene Rohölpreis und politische Maßnahmen

Seit Anfang 2014 hat der Euro gegenüber dem US-Dollar rund 30% an Wert verloren (siehe Grafik). Diese Tatsache wirkt wie eine Konjunkturspritze, da exportorientierte Firmen an den Weltmärkten somit einen erheblichen Vorteil in der Preisgestaltung aufweisen.

Quelle: Eigene Darstellung

Quelle: Eigene Darstellung

Immerhin generieren die im wichtigen europäischen Index Stoxx 600 gelisteten Unternehmen 42% ihrer Erträge außerhalb Europas (siehe Grafik).

Quelle: Black Rocks

Quelle: Black Rocks

Der Rohölpreis verleiht nicht nur dem europäischen Konsumenten gehörigen Rückenwind. Der Preis für ein Fass der Sorte Brent ist von rund 110 US-Dollar Anfang 2014, auf aktuell rund 60 US-Dollar gefallen. Dieser deutliche Rückgang wirkt sich aufgrund der Steuersituation (Mineralölsteuer) und des schwachen Euro zwar nicht 1:1 auf das Portemonnaie aus, sorgt aber dennoch für eine spürbare Erleichterung an den Zapfsäulen und schont auch die Budgets von zahlreichen Unternehmen. Wie in der Grafik rechts abzulesen ist, sind Schweden und die Eurozone in Europa aufgrund der Netto-Ölimporte im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) die größten Profiteure. Eine schnelle Rückkehr zu den alten Preisniveaus ist nicht in Sicht, da vor allem die USA aufgrund der neuen Fördermethoden (Stichwort: Fracking) derzeit für ein Überangebot an den Weltmärkten sorgen und daher dreistellige Notierungen bis auf weiteres außer Reichweite sein dürften.