Nach zwei sehr starken und gleichzeitig sehr inhomogenen Aktienjahren rechnen wir für das kommende Jahr mit einer breiteren Marktbewegung. Zuletzt sind wenige Unternehmen im Bereich einer jungen Technologie, der künstlichen Intelligenz (KI), weit davongezogen. Der Großteil der Aktien in den breiten Indizes konnte von diesem Umfeld noch nicht wirklich profitieren und ist - teilweise - weit zurückgeblieben. Oftmals gibt es bei neuen Entwicklungen ein (Monopol) oder wenige (Oligopol) Unternehmen, die sich durch Innovation einen Vorsprung verschaffen. Diese wenigen Unternehmen können in dieser frühen Entwicklungsphase Übergewinne abschöpfen.
Entwicklung in die Breite
In einer freien Wirtschaft setzt dann nach und nach das ein, was in der Volkswirtschaftslehre "vollkommene Konkurrenz" genannt wird: Viele andere Unternehmen erkennen den profitablen Geschäftsbereich und versuchen, dort auch Fuß zu fassen und von den Überrenditen zu profitieren. Je mehr Anbieter aktiv werden, desto größer wird der Wettbewerb. Als Folge werden die Preise, die für das Produkt oder die Dienstleistung verlangt werden können, sinken, und die Anbieter verdienen weniger. Andererseits kann dann die neue Technologie in der gesamten Wirtschaft zu optimalen Bedingungen eingesetzt werden, wodurch in der Regel die Produktivität steigt.
Natürlich gibt es Eintrittsbarrieren in das Geschäft mit der KI: Sowohl die Produktion der Spezial-Chips als auch das Training der KI sind Know-how- und Ressourcen-intensiv. Die heute aktiven Unternehmen haben sich mit langer Entwicklungsarbeit einen Vorsprung verschafft. Insofern gehen wir nicht davon aus, dass der Markt alleine in kurzer Zeit eine vollkommene Konkurrenz schaffen kann. Allerdings sind in derart konzentrierten Sektoren historisch betrachtet auch wettbewerbsrechtliche Entwicklungen und politischer Einfluss von Bedeutung. Seitens des Marktes spielt nicht zuletzt die Nutzbarkeit von Daten beim Training der KIs eine wesentliche Rolle. Gerade Letzteres kann aber bedeuten, dass der Vorsprung einer Handvoll Unternehmen geringer werden wird, denn auch der breite Markt wird früher oder später vom allgemeinen Produktivitätswachstum profitieren. Branchen außerhalb des Technologiesektors, die große Datenmengen zur Verfügung haben - die Finanzbranche, Kommunikationsdienstleister, aber auch Gesundheit, Versorger oder Basiskonsum - könnten stärker ins Interesse des Marktes rücken. Nicht zuletzt gilt es abzuwarten, ob das immense Ausmaß der wirtschaftlichen Investitionen in KI auch schnell angenommen wird, also ob sich die KI in diesem Ausmaß in der Breite nutzen lassen wird.
Natürlich hat die Vormachtstellung die Bewertungen einiger Unternehmen in beeindruckende Höhen katapultiert. Wir sehen bei der Bewertung, aber auch bei Stimmungsindikatoren die eine oder andere Übertreibung, gerade im engen Umfeld der neuen Technologie. Private US-Investor:innen sind so optimistisch wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Auf der anderen Seite finden wir immer noch recht überschaubare Bewertungen in
anderen Wirtschaftssektoren. Die Herausforderung wird darin bestehen herauszufinden, welches Unternehmen zu Recht billig bewertet ist und wo bei günstigen Multiples (darunter verstehen wir hier die verschiedenen Bewertungskennzahlen wie z. B. das Kurs-Gewinn-Verhältnis) Chancen schlummern.
Nicht zuletzt ergeben sich auch regional deutliche Unterschiede: Die USA bieten aus der historischen Entwicklung heraus günstige Rahmenbedingungen für Innovationen, wie einen vergleichsweise einfachen Zugang zu Eigenkapital, eine enge Verknüpfung von Forschung und Wirtschaft - insbesondere im Silicon Valley - relativ geringe Reglementierung etc. Daher sind dort auch viele dieser zuletzt äußerst erfolgreichen Unternehmen ansässig.
Nach einer zweijährigen Periode fulminanter Kursgewinne bei einigen wenigen Aktien könnten Anleger:innen im kommenden Jahr bei den heiß gelaufenen Titeln einen kritischeren Maßstab anlegen. Werden die in die Höhe geschossenen Kurse nun auch durch mittelfristig deutlich steigende Gewinne gerechtfertigt? Nicht in allen Fällen wird der Aktienmarkt die Vorschusslorbeeren bestätigen, und die Kurse könnten im Falle von enttäuschenden Unternehmensberichten auch rasch und deutlich fallen. Dieses Damoklesschwert hängt schon seit einiger Zeit über Teilen des Markts. Ist 2025 das Jahr, in dem es fällt?
Anleger:innen sollten sich auf stärkere Kurskorrekturen einstellen. Wann diese Kursbewegungen stattfinden und wie stark sie ausfallen werden, kann niemand exakt vorhersagen. Mit einem konservativen und wertorientierten Aktienportfolio fährt man in Abwärtsphasen besser. Und noch etwas sollten Anleger:innen nicht vergessen: Kursrückschläge bieten auch immer wieder die Chance, neue Aktienengagements zu deutlich besseren Preisen eingehen zu können.
Comeback der Anleihen
Anleihen sind heute so interessant wie schon lange nicht. Im abgelaufenen Jahr hat sich bei den Renditen kaum Bewegung gezeigt, die Inflation ist hingegen nach und nach gesunken. Auch die Risikoaufschläge sind im Laufe des Jahres in den meisten Segmenten kontinuierlich etwas zurückgegangen, die Märkte zeigen geringe Besorgnis. Der Blick sollte weiterhin auf die Preisentwicklung gerichtet bleiben, denn Anleihen sind mit wenigen Ausnahmen nominale Veranlagungen: Die Verzinsung ist von vorneherein fixiert. Steigt die Inflation, so bleibt in Zukunft weniger von dieser nominellen Verzinsung übrig. So, wie die Märkte die zukünftige Inflation bepreisen, können Anleger:innen sogar mit sehr konservativen Staatsanleihen der Eurozone positive Realrenditen erzielen. So eine Situation gab es schon lange nicht mehr, insofern ist das Umfeld für Anleihen äußerst spannend. Dennoch sichern wir diese niedrige eingepreiste Inflation zumindest teilweise in unseren Portfolios ab: Es erscheint uns zu optimistisch, dass die Preise in den kommenden Jahren in Europa im Durchschnitt nur um 1,8 % pro Jahr steigen werden. Taktisch mag die schwache Konjunktur diese Situation zwar erklären. Mittelfristig sehen wir aber einige Themen, die für Preisanstiege im Bereich der Notenbank-Erwartungen (2 % p. a.) oder sogar leicht darüber sprechen: Energiepreise, immer stärker aufkeimender Protektionismus oder die bekannte demografische Entwicklung in vielen entwickelten Ländern sind alle in der Lage, die Inflation anzufachen.
Die Mischung machts
Bei aller Zuversicht in der Anlageklasse Anleihen: Strategisch sollten sich Anleger:innen genau überlegen, wie hoch die Aktienquote im Portfolio gewählt werden kann, denn mit Aktienveranlagungen im Qualitätssegment sind langfristig bessere Ergebnisse zu erzielen als mit Anleihen. Im englischsprachigen Raum ist dazu folgender Spruch bekannt: "Sell down to your sleeping level" -also frei übersetzt: Halte so viele Aktien, dass du (gerade noch) gut schlafen kannst".
In der taktischen Betrachtung - und das ist der Kundenauftrag für uns als Vermögensverwalter - halten wir die Chancen und Risken beider Segmente heute für ausgewogen: Wir setzen nach einer Gewinnmitnahme Anfang Dezember nun auf eine neutrale Aktiengewichtung. Denn wie bereits geschildert, sind auch Anleihen so attraktiv wie schon lange nicht mehr. Und wir möchten uns etwas "trockenes Pulver" bzw. Liquidität aufbewahren für den Fall, dass es kurzfristig zu noch interessanteren Einstiegsniveaus kommt.
Aus der Vogelperspektive
Beim Blick aus der Makroperspektive auf die Welt sind auch noch ein paar andere Themen zu beachten: Welche Ankündigungen, die der designierte US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf gemacht hat, wird er tatsächlich in die Realität umsetzen und in welchem Ausmaß? Sowohl beim Thema Außenhandel als auch bei innenpolitischen Steuerentscheidungen oder bei der globalen
Sicherheitspolitik gibt es breite Umsetzungsspielräume. Letztere wird nicht zuletzt auch Auswirkungen auf Europa haben - Stichwort Verteidigungsausgaben einzelner NATO-Mitgliedsländer. Es wird sich weisen, wie die lokale Politik reagieren wird, sollte das sicherheitspolitische Engagement der USA tatsächlich schrumpfen. Auch bei anderen Themen wird es spannend, beispielsweise wie die europäische Politik mit ihren zumeist klammen Kassen auf schwaches Wachstum reagiert. Und dann gibt es natürlich noch Kriege und Krisen - in Europa und außerhalb , die auch einen Einfluss auf die Kapitalmärkte haben. Nicht zuletzt im Zusammenhang mit Öl- und Energiepreisen können auch die Kapitalmärkte diese Auswirkungen rasch zu spüren bekommen. Spinnt man diesen Faden weiter, so ist der Zusammenhang mit der Inflation und damit auch mit Notenbank-Aktivitäten schnell zu erkennen.
Fazit
"Buy the rumour, sell the fact" - oder frei übersetzt: "Kaufe das Gerücht, verkaufe die Tatsache". Die Märkte sind weit gelaufen, beurteilen Entwicklungen sehr positiv und könnten eine Verschnaufpause benötigen. Auch technische Signale und Stimmungsindikatoren unterstützen diese Sichtweise. Viel Gutes wurde bereits vorweggenommen.
Dass wir Aktien auf neutral reduziert haben, heißt aber keinesfalls, dass wir negativ ins neue Jahr blicken. Im Gegenteil, wir wissen: Langfristige Investor:innen müssen auf Aktien setzen, um die Inflation nachhaltig zu schlagen und auch noch ein bisschen mehr zu verdienen. Doch auch mit Rentenveranlagungen ist anhand heutiger Renditen im nächsten Jahr einiges zu holen. Die dürre Wüste der Nullzinsen nach der Weltfinanzkrise ist vorüber, je nach Risikoappetit können auch Rentenanleger:innen die Inflation verdienen.
So gesehen blicken wir mit vernünftigem Optimismus auf das neue Anlagejahr und freuen uns erneut darauf, Chancen wahrzunehmen und Risiken durch einen fundierten Investmentprozess aktiv zu managen.
Die Schoellerbank, gegründet 1833, ist eine der führenden Privatbanken Österreichs und gilt als Spezialist für anspruchsvolle Vermögensanlage. Sie konzentriert sich auf die Kernkompetenzen Vermögensanlageberatung, Vermögensverwaltung und Wealth Planning. Ihre Anlagephiloso definiert sich über das Motto "investieren statt spekulieren" Die Schoellerbank ist mit acht Standorten und 350 Mitarbeiter:innen die einzige österreichweit vertretene Privatbank. Sie verwaltet für private und institutionelle Anleger:innen ein Vermögen von mehr als 13 Milliarden Euro. Die Schoellerbank ist eine 100%ige Tochter der UniCredit Bank Austria und das Kompetenzzentrum der UniCredit für Wealth Management in Österreich. Mehr Informationen unter www.schoellerbank.at
Mag. Felix Düregger, CPM
Leiter Anleihen und Währungen - Investment Strategy
Schoellerbank AG
Hinweis: Schoellerbank AG, Stand 2. Jänner 2025
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Stand: 02. Jänner 2025
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