- ETFs (Exchange Traded Funds) erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Als Argumente werden oft günstige Kosten, aber auch die laufende Handelbarkeit angeführt
- Blickt man hinter die Kulissen der "passiven" Strategien, so gibt es viele Kriterien, nach denen Anleger ETFs vor einem Investment auf Herz und Nieren prüfen sollten
- Short-ETFs sind eine Nische, die aus Sicht der Schoellerbank Anlageexperten wesentlich mehr Nachteile als Vorteile bieten
- ETFs setzen jedenfalls fachkundige Investoren voraus - zu viele wertvolle Komponenten gehen bei diesen Investments verloren, auf die sich Anleger mit aktiven und hochqualitativen Veranlagungsstrategien, insbesondere in Krisenzeiten, verlassen können
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Was ist ein ETF?
ETFs, also Exchange Traded Funds, sind in aller Munde. Aktuell sind global über 7.000 verschiedene ETFs handelbar (siehe dazu Schoellerbank Analysebrief Nr. 347). Es handelt sich bei ETFs um spezielle Investmentfonds, die in der Regel Indizes 1:1 abbilden. Es werden also "passive" Strategien verfolgt: Der Fonds versucht nicht, durch Abweichungen von seiner Messlatte Mehrerträge zu erwirtschaften, sondern bildet ebendiese deckungsgleich ab. Außerdem können diese Veranlagungen - entgegen herkömmlicher Investmentfonds - nicht nur mit der emittierenden Investmentgesellschaft, sondern an der Börse gehandelt werden (daher auch der Name "exchange traded", also "an einer Börse handelbar"). Entgegen dem Handel bei einer Investmentgesellschaft, der nur einmal pro Tag möglich ist, können ETFs an der Börse während der gesamten Handelszeiten ge- und verkauft werden.
Das Produkt entstand, weil manche Anleger statt auf aktives Management lieber auf eine passive Strategie vertrauten. Und natürlich wollten sie dann auch nicht die Gebühren eines aktiven Managers zahlen, was zu einem wesentlichen Vorteil von ETFs führt: Zumindest in den entwickelten Märkten sind ETFs in der Regel sehr günstig. Beispielsweise kosten die günstigsten ETFs auf den Eurostoxx 50 nur wenige Basispunkte p. a. (100 Basispunkte sind ein Prozentpunkt).
Stärken und Schwächen
Indizes
Jeder ETF bezieht sich auf einen Index und Anleger sollten wissen, wie sich dieser Index zusammensetzt. Unterschiede gibt es hinsichtlich Berechnungsmethode, Art der Gewichtung der Einzelwerte, Branchenzusammensetzung usw. Erfahrene Investoren hinterfragen einige dieser Themen kritisch: Einige Indizes setzen auf eine Gleichgewichtung aller Werte (z. B. iTraxx Indizes). Andere Indizes - wie der etablierte Dow Jones Industrial Average - setzen hingegen auf eine Gewichtung nach Preis: Die Aktie mit dem höchsten Preis ist am stärksten gewichtet, diejenige mit dem niedrigsten Preis ist am geringsten gewichtet. Bei Anleihen-Indizes ist es üblich, die Gewichtung nach ausständigem Nominale vorzunehmen: Die Emittenten, die in absoluten Zahlen am stärksten verschuldet sind, werden am stärksten gewichtet.
Hinterfragt man diese Gewichtungssystematiken, so stellt man schnell fest, dass kein rationaler Anleger sein Depot nach diesen Maßstäben zusammensetzen würde: Die stärksten Gewichtungen der Aktien mit dem höchsten Preis oder der Anleihen mit dem höchsten Emissionsvolumen. Oder überhaupt ohne Priorisierung einfach gleichgewichtet. In Form eines Index gegossen, werden diese Methoden aber ganz einfach als gegeben hingenommen.
Eine weitere Besonderheit stellen große Index-Bestandteile dar: Während das österreichische Investmentfondsgesetz Diversifizierung fordert, setzen viele große Indizes auf sehr stark gewichtete Einzelwerte. Beispielsweise finden sich in vielen gängigen Aktien-Indizes in Europa (Italien, Deutschland, Frankreich etc.) Werte über der 10%-Grenze. Im österreichischen Index ATX ist der größte Wert sogar über 20% gewichtet, der zweitgrößte über 16%. Aktiven Managern werden auf Grundlage des Investmentfondsgesetzes maximal 10%-Gewichtungen pro Emittent erlaubt. Auch darf die Summe der Emittenten, die stärker als 5% gewichtet sind, nicht über 40% der gesamten Veranlagung liegen. All diese prinzipiell sinnvollen Überlegungen zur Risikostreuung gelten aber für ETFs nur in sehr eingeschränktem Maß. Der Anleger muss sich fragen, ob diese lockere Handhabung des Gesetzgebers für ihn sinnvoll ist.
Konstruktion
ETFs können prinzipiell die Indexbestandteile 1:1 ins Fondsvermögen kaufen. Dies kann aber gerade bei sehr breiten Indizes wie z. B. dem MSCI World, aber auch bei Indizes mit illiquiden Komponenten wie z. B. bei manchen Schwellenländer-Indizes schwierig oder gar unmöglich sein. Daher haben sich neben diesen "voll replizierenden" ETFs auch sogenannte "synthetisch replizierende" ETFs etabliert: Diese kaufen mit dem Geld der Anleger zinstragende Wertpapiere als hinterlegte Sicherheit ("collateral"). Die Zinserträge werden dann mittels Derivaten in das Risikoprofil des zugrunde liegenden Index getauscht. Das Portfolio besteht also oft aus Anleihen und Derivaten - auch bei einem synthetisch replizierenden Aktien-ETF.
Einerseits sollte der Anleger in so einem Fall die investierten Wertpapiere prüfen: Aufgrund der höheren Zinszahlungen werden oft schlechtere Schuldner gewählt und der Fonds enthält dann - neben dem eigentlichen Index-Risiko - auch ein Kreditrisiko. Andererseits besteht bei Derivaten ferner ein Kontrahentenrisiko: Entgegen dem direkten Kauf einer Aktie ins Portfolio "versprechen" die Kontrahenten aufgrund ihres Vertrages nur die Leistung des Zahlungsprofiles der Aktienstrategie. Auch hier kommt ein Kreditrisiko ins Spiel, das bei einer direkten Veranlagung kein Thema wäre.
Liquidität bzw. Handelbarkeit
Da für ETFs an der Börse quasi jederzeit ein Kurs verfügbar ist, wird gerne suggeriert, dass ETFs die liquidesten aller Instrumente wären. Natürlich kann aber auch ein ETF nur so liquide sein wie der Markt, auf den er sich bezieht. Gerade enge Marktsegmente wie beispielsweise Schwellenländer-Anleihen oder mittel- bis kleinkapitalisierte Aktienmärkte können auch nach der "Verpackung" in einen ETF nicht in die höchste Liquiditätsklasse verwandelt werden. Sogar ein hochliquider Index wie der Dow Jones zeigte diesbezüglich schon seine Schwächen: Im August 2015 musste nach erheblichen Kursverlusten der Handel in vielen Aktien des Index seitens der Börse ausgesetzt werden; viele ETF-Investoren wollten aber ihre Anteile trotzdem verkaufen, plötzlich handelten diese ETFs deutlich unter ihrem Nettoinventarwert. Das überraschte manchen Anleger und beschleunigte die Entwicklung sogar noch. Ein ETF ist also immer nur so liquide wie sein Basiswert. Wenn Anleger so schnell reagieren müssen, dass es um wenige Stunden oder gar Minuten geht, so sollten die Inhalte der Investments grundlegend überdacht werden. Risikomanagement beginnt nach Meinung der Schoellerbank Anlageexperten bereits bei der Auswahl der Investments und bei deren Qualität.
Kosten
ETFs gelten aufgrund ihrer passiven Konstruktion als günstige Investments. Vor allem in entwickelten Märkten stimmt diese Einschätzung oft auch, die Kosten der günstigsten ETFs liegen im Bereich weniger Basispunkte pro Jahr. Doch entfernt man sich etwas von den etabliertesten Indizes, so können auch ETFs schnell teuer werden: Bei MSCI Asia-ETFs liegen die Kosten der meisten Anbieter aktuell zwischen 0,65% und 0,75% p. a. - und das ohne fundamentales Research, aktive Marktmeinung, erfahrenes Management etc.
Steuern
In den USA sind ETFs nicht zuletzt deshalb so beliebt, weil Substanzgewinne innerhalb des Fonds steuerfrei bleiben. Erst beim Verkauf der Fondsanteile werden Kursgewinne besteuert, was gerade bei starken Kursanstiegen und langer Behaltedauer einen enormen Steuerstundungs-Effekt darstellen kann. Diese besondere steuerliche Behandlung von ETFs gilt in Österreich und Deutschland nicht.
Sonderthema Short-ETFs
Mit der Konstruktionsmethode "synthetisch replizierend" lassen sich auch ganz neue Investmentideen umsetzen: So können Anleger mit sogenannten "Short-ETFs" etwa nicht nur von steigenden, sondern auch von fallenden Aktienkursen profitieren. Dabei soll ein Short-ETF bei einem Index-Kursrutsch von 10% einen Wertzuwachs von ebendiesen 10% ermöglichen. Doch die Arithmetik dahinter ist trügerisch, wie ein einfaches Rechenbeispiel verdeutlicht: Ein Index hat 10% verloren, er notiert nun bei 90. Der Short-ETF hat im Zuge dessen 10% gewonnen, er notiert bei 110. Daraufhin steigt der Index um 11,1% und notiert dann wieder bei 100. Der ETF verliert bei diesem Indexanstieg 11,1% und notiert damit bei 97,78. Der Index steht also auf dem Ausgangswert, der ETF hingegen liegt über 2% im Minus.
Eine weitere Besonderheit von Short-ETFs sind die eingesetzten Derivate: Diese haben fixe Laufzeiten, die ETFs laufen hingegen unbeschränkt. Bevor eines dieser Derivate ausläuft, muss es "gerollt", also in ein neues, länger laufendes Derivat getauscht werden, damit das Risikoprofil im ETF aufrecht bleibt. Dabei entstehen Kosten, die im Zeitablauf auch ohne Bewegung an den zugrunde liegenden Märkten Verluste verursachen. Short-ETFs können also, wenn überhaupt, dann nur sehr kurzfristig Sinn machen, nämlich dann, wenn ein Investor unmittelbar mit sinkenden Märkten rechnet. Doch wer hat die Glaskugel und kann erfolgreich den Markt "timen"?
Was geht verloren?
Mit den geringeren Kosten geht bei ETFs natürlich auch einiges verloren: Bei einem aktiven Vermögensmanagement werden Unternehmen anhand ihrer Geschäftsmodelle und Jahresabschlüsse analysiert, Marktsegmente werden beurteilt, Anleiheemittenten auf ihre Bonität geprüft, Bewertungen auf ihre Attraktivität untersucht, Stimmungen werden gemessen und vieles mehr. Das Ergebnis dieses Aufwandes, der noch in einen soliden Investmentprozess gegossen sein sollte, ist eine vernünftige, qualitativ hochwertige Veranlagung. Ein Investment also, dessen Bestandteile man im Detail kennt und bei der man keine Krise fürchten muss. Keine passive Strategie kann diese Komponenten bieten.
Was ebenfalls verloren geht ist die Asset Allokation - also die Aufteilung der Veranlagung auf verschiedene Segmente. Bekanntlich ist diese Asset Allokation für weit mehr als 80% der Performance verantwortlich. Doch wer macht sich beim Kauf von Index-Veranlagungen fundierte Gedanken über die einzelnen Gewichtungen? Auch diese grundlegende Aufgabe der Vermögensverwaltung wird mit Index-Veranlagungen nicht erfüllt.
Fazit:
ETFs können Vorteile bieten - vor allem Kostenvorteile in etablierten Märkten. Andererseits geht viel Sinnvolles verloren, und wird an keinem anderen Punkt des Investmentprozesses wieder hinzugefügt. Vor allem viele produktinhärente Besonderheiten müssen kritisch hinterfragt werden. ETFs sind keineswegs automatisch für Anleger geeignet, die wenig Wissen und Erfahrung haben - ganz im Gegenteil. Der geschulte und erfahrene Anleger hingegen findet womöglich in dem einen oder anderen Segment einen ETF, der als Bestandteil eines großen Ganzen sinnvoll eingesetzt werden kann.
Autor:
Mag. Felix Düregger, CPM
Direktor Asset Management
Schoellerbank AG
Tel. +43/662/86 84-2678
Rückfragen bitte auch an:
Marcus Hirschvogl, BA
Pressesprecher
Schoellerbank AG
Tel. +43/1/534 71-2950
1010 Wien, Renngasse 3
Die Schoellerbank, gegründet 1833, ist eine der führenden Privatbanken Österreichs, die als Spezialist für anspruchsvolle Vermögensanlage gilt. Sie konzentriert sich auf die Kernkompetenzen Vermögensanlageberatung, Vermögensverwaltung und Vorsorgemanagement. Ihre Anlagephilosophie definiert sich über das Motto "Investieren statt Spekulieren". Die Schoellerbank ist mit 10 Standorten und 378 Mitarbeitern die einzige österreichweit vertretene Privatbank. Sie verwaltet für private und institutionelle Anleger ein Vermögen von rund 11,5 Milliarden Euro. Die Schoellerbank ist eine 100%ige Tochter der UniCredit Bank Austria.
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