Kapitalmarktausblick - 4. Quartal 2023
- Die Inflation geht langsam zurück
- Die Kerninflation bleibt nahe den Höchstständen
- Die Renditen steigen weiter langsam an
- Verschiedene Aktienmärkte kennen keine einheitliche Richtung
Die Inflation auf europäischer Ebene entwickelt sich bereits das gesamte Jahr über rückläufig. Dennoch bleibt vor allem die Kerninflation hartnäckig - der Rückgang der breiten Inflation fußt vor allem auf im Jahresvergleich gefallenen Energie- und Rohstoffpreisen, auch wenn diese zuletzt wieder zulegten. Fasst man in einem Warenkorb gängige Konsumgüter ohne die zuvor genannten volatilen Komponenten zusammen, so hat sich dieser heuer wenig verändert.Insbesondere in Europa und speziell in Österreich und manchen Nachbarländern bleibt die Inflation hartnäckiger als anderswo. Unterschiedliche politische Maßnahmen ergaben auch messbare Unterschiede in der Inflationsentwicklung. Am anderen Ende des Spektrums liegen etwa Spanien oder die Schweiz, wo die Preissteigerungen durch staatlich administrierte Preise und andere Maßnahmen deutlich abgemildert werden konnten. In den USA geht die Inflation ebenfalls stärker zurück als in Europa, doch auch dort erweist sich die Kerninflation als "sticky".
Auf einem anderen Schauplatz schwächt sich die Konjunktur ab. Vor allem in kerneuropäischen Ländern wie Deutschland und Österreich deuten Frühindikatoren wie beispielsweise die Auftragslage der Industrie auf ein Bremsen der Wirtschaft hin. Einzig die Arbeitsmarktsituation erscheint in den meisten Regionen noch sehr robust - die aktuellen Kollektivvertragsverhandlungen können dafür als ein Gradmesser dienen.
Notenbanken haben in dieser verzwickten Situation eine noch schwierigere Aufgabe als sonst: Erhöhen sie die Zinsen weiter und versuchen damit, die Inflation wieder auf (höchstens) 2 % p. a. zu reduzieren, riskieren sie mit ihren Maßnahmen eine Rezession. Setzen sie des Wachstums willen hingegen keine weiteren Zinsschritte, dann droht eine längere Periode erhöhter Inflation. Wie so oft wird die Gratwanderung irgendwo in der Mitte gelingen müssen. Der Markt rechnet in den nächsten fünf Jahren aktuell mit einer durchschnittlichen Inflation von 2,6 % p. a., gemessen an Inflation-Swaps (Derivate). Das erscheint uns immer noch optimistisch. Doch langsam wird die neue Realität eingepreist: Letztes Quartal wurden noch 2,5 % erwartet. Der leichte Anstieg hat der Schoellerbank Vermögensverwaltung etwas Rückenwind beschert, da auf Inflationsanleihen gesetzt wurde eine strategische Positionierung, die auch weiterhin zum Einsatz kommt.
Kapitalmarktzinsen gaben über die Sommermonate etwas nach, um in den Herbst hinein zu neuen Höchstständen aufzusteigen. Die Bewegungen waren bemerkenswert, in ihrem Umfang aber - verglichen mit dem Vorjahr - recht überschaubar. In vielen Anleihensegmenten finden sich heute Renditechancen, von denen Anleger:innen in der abgelaufenen Dekade nicht einmal zu träumen gewagt hätten. Natürlich kann niemand ausschließen, dass die Renditen noch weiter steigen, aber der Blick in die Zukunft wird damit erfreulicher!
Aktienmärkte uneinheitlich
Die Aktienmärkte blieben bis zuletzt eher heterogen. Das betrifft sowohl Regionen wie auch Sektoren oder Investmentstile. In Nordamerika läuft es deutlich besser als in Europa, Letzteres entwickelt sich besser als viele Schwellenländer, vor allem besser als China. Innerhalb der USA entwickelten sich einige Hype-Technologieaktien deutlich besser als der breite Markt. Sie zogen aufgrund ihrer hohen Kapitalisierungen auch die Indizes mit nach oben. Das erzeugte teilweise eine "Scheinperformance" denn insbesondere viele sicherheitsorientierte Investor:innen setzten nicht auf einzelne "High Flyer". Generell werden neue Technologien gefeiert: Die darauf spezialisierte Börse Nasdaq liegt deutlich vor dem breiten S&P 500, dieser liegt immer noch vor dem klassischen Dow Jones Industrial Average. Etablierte Geschäftsmodelle wurden abgestraft und blieben zurück. Diese Entwicklungen kennen wir aus vergangenen Perioden. Zuletzt zogen während der ersten COVID-Wellen Technologiewerte davon: Der Trend zum Remote Working, verstärkten Online-Handel und der generelle Trend zum Neobiedermeier förderten die Nutzung von neuen Medien, Computerspielen und verwandten Technologien. Aktuell ist KI (Künstliche Intelligenz) bzw. AI (Artificial Intelligence) der maßgebliche Trend. Jedes Unternehmen, das etwas auf sich hält, heftet sich "KI" auf die Fahnen - fastg wie um die Jahrtausendwende "Internet" oder ".com".
Wir bleiben in der Schoellerbank Vermögensverwaltung unserem Managementansatz treu. Weder kaufen wir reine Fantasie, noch verlassen wir uns auf Geschäftsmodelle, die für den Erfolg auf einen starken Hebel mit hoher Fremdfinanzierungsquote angewiesen sind. Das gilt umso mehr, als der konjunkturelle Wind rauer wird. Auch haben sich Finanzierungen im aktuellen Zinsumfeld drastisch verteuert, die Zinszahlungen belasten so manche Cashflow-Rechnung enorm. Dies gilt bei Neuverschuldungen ebenso wie bei variabel verzinster Verschuldung. Europäische Hochzins-Schuldner müssen heute im Durchschnitt bereits Renditen von über 8 % bezahlen. Vor zwei Jahren lag der Wert noch bei 3 %, im zehnjährigen Durchschnitt lag er unter 5 %. Das aktuelle Zinsniveau bedeutet bei Neuverschuldung: In nur fünf Jahren muss ein Unternehmen - neben dem eigentlichen Finanzierungsbedarf - noch einmal die Hälfte dessen nur für Zinsen bezahlen.
Die Fragen, die sich potenzielle Anleger:innen in dem Zusammenhang stellen sollten: Wer verdient so hohe Zinskosten in einer abgeschwächten Konjunktur? Wer muss sich zum aktuellen Zinsniveau refinanzieren?
Wir verschließen uns neuen Entwicklungen keineswegs, möchten uns aber nur an soliden Unternehmen beteiligen - und diese gibt es selbstverständlich auch im Tech-Sektor. Wichtiger denn je ist es hier, Geschäftsmodelle zu prüfen, sowohl bei Aktien- wie Anleiheninvestments. Aus drei Jahrzehnten Schoellerbank Vermögensverwaltung sind den Anlageexpert:innen mannigfaltige Boomphasen und Überhitzungen, so wie sie in manchen Sektoren gerade wieder zu entstehen drohen, bekannt: Dotcom-Blase, Immobilienblase, Euro-Konvergenz und darauffolgende Euro-Krise etc.
Wir stellen uns in solchen Phasen natürlich selbst den harten Fragen: Warum sind wir bei den Tech-High-Flyer-Aktien nicht dabei? Warum setzen wir verstärkt auf "klassischere" Tech-Firmen? Warum wählen wir bei Unternehmensanleihen die Schuldner sehr konservativ aus?
Die allgemeingültige Antwort lautet: Wir müssen uns in den Spiegel blicken können, denn wir haben eine höchst verantwortungsvolle Aufgabe: Wir veranlagen das Vermögen unserer Kund:innen. Wir setzen auf die Beteiligung an fundamental soliden und aussichtsreichen Unternehmen und leihen Unternehmen und Staaten Vermögen, bei denen das Risiko-Rendite-Verhältnis passt. Ausschließlich auf zukünftige Erfolge zu setzen, die ins Heute abdiskontiert werden, noch dazu mit einem Zinssatz, der weiter steigen kann, erscheint uns keine adäquate Investmentstrategie. Unser Investmentprozess hat sich in über 30 Jahren mit vielen Boom- und Krisenphasen erfolgreich bewährt und damit nicht nur für gute langfristige Ergebnisse gesorgt, sondern unsere Kund:innen stets vor vermögensvernichtenden Fehltritten bewahrt.
Mag. Felix Düregger, CPM
Leiter Anleihen und Währungen Investment Management & Strategy
Schoellerbank AG
felix.dueregger@schoellerbank.at
Hinweis: Schoellerbank AG, Stand 3. Oktober 2023